
Weimar Belvedere (Juni 2021)
Stand 7.7.2025. Konstruktive Hinweise gerne an kontakt@sigmar-s.de
Zum 1. Treffen von Charlotte von Stein und Goethe
Inhalt:
1
Zusammenfassung
2
Briefe und Berichte
2.1
Zum 7. November 1775 – Charlotte v. Stein ist in Kochberg?
2.2
Zu November 1775 – Erinnerungen von Carl v. Stein
2.3
Zu November 1775 – Bericht von Carl v. Lyncker
2.4
November 1775 – Brief Charlotte v. Stein an Johann Georg Zimmermann
2.5
November 1775 – War das 2. Treffen beim Bruder Carl von Schardt?
2.6
Zwischen 27.11. und 3.12.1775 – Brief Goethe an Carl v. Knebel
2.7
Zu 2. Dezember 1775 – Brief F. L. Stolberg an seine Schwester Henriette
2.8
Zu 6. Dezember 1775 – Brief Charlotte v. Stein an Charlotte v. Schiller
2.9
Zu Ende 1775 – Brief Goethe an Charlotte v. Stein
3
Zum 11. November 1775
4
Der 6. Dezember 1775 – Goethes Besuch in Großkochberg
5
Hofmarschallamt Weimar, Fourierbuch 7.11. – 8.12.1775
6
War das 1. Treffen im Pavillon des Palais Schardt?
Die Seite enthält lediglich eine Zusammenstellung mir bekannter möglichst historischer Dokumente zu diesem Thema,
sowie einige Hinweise und Überlegungen dazu.
Sie soll Leser auch anregen, sich an der Vervollständigung des Wissens und der Fakten zu beteiligen.
1 Zusammenfassung
7. November 1775 – Goethe kommt in Weimar an.
Zum 7. November 1775 – Charlotte v. Stein ist in Kochberg?
Heinrich Düntzer und Wilhelm Bode schreiben in ihren Büchern zu diesem Tag:
„Charlotte v. Stein war gerade noch einmal nach Kochberg zurückgekehrt […]. Doch kam sie bald wieder nach Weimar zurück“.
Siehe Punkt 2.1.
Hier ist eindeutig nachweisbar, dass es sich an der Hoftafel um die gleichnamige Schwägerin (1734 – 10.1784) handelt.
Mitte November 1775 – Treffen in der Steinschen Wohnung.
Carl v. Stein schreibt zum ersten Treffen der beiden in der Steinschen Wohnung:
„Letzterer [Goethe] war eben angekommen“
und Karl v. Lyncker berichtet:
„Ich wurde dem Dr. Goethe bald nach seiner Ankunft […] in dem damaligen Landschaftskollegialhause vorgestellt“.
Siehe Punkte 2.2 und 2.3.
Beide schreiben identisch über ihr Treffen kurz nach der Ankunft Goethes, also noch im November, auch wenn sich Carl v. Stein da bei der Jahresangabe irrt.
Ich ordne das als sehr glaubwürdig ein.
Mitte November 1775 – Treffen bei Herzog Carl August?
Ingelore Winter schreibt in ihrem Buch über einen Brief von Charlotte v. Stein an Johann Georg Zimmermann:
„Mitte November […] saßen sich Charlotte von Stein und Johann Wolfgang von Goethe zum ersten Mal gegenüber – beim Tee des Herzogs. Frau von Stein berichtete Zimmermann über ihre erste Begegnung mit dem Dichter […]“.
Siehe Punkt 2.4.
Es gibt keine genaueren Quellenangaben im Buch und Frau Winter scheint mit zeitlichen Ereigniszuordnungen generell relativ „großzügig“ umgegangen zu sein.
Den Originalbrief als Beweis konnte ich bisher nicht finden.
Mitte November 1775 – Das 2. Treffen war beim Bruder Carl von Schardt?
Georg E. Viebahn schreibt in seinem Buch:
„Wenige Tage nach der Ankunft stellte Herzog Carl August seinen Freund Goethe auch der Familie des […] Josias v. Stein vor. Kurz danach kamen sich Goethe und Charlotte in der ‚Besuchsstube‘ ihres Bruders, des Kammerherrn Carl v. Schardt, etwas näher […] “.
Siehe Punkt 2.5.
Es gibt keine Quellenangaben im Buch.
Zwischen 27. November und 3. Dezember 1775 – Brief von Goethe an Carl v. Knebel
Goethe schreibt:
„Frau von Stein hat schon Antwort von mir“.
Siehe Punkt 2.6.
Der im Buch von Ernst Beutler (Hrsg.) zitierte Brief von Goethe an Knebel stammt erst von Anfang Dezember 1807.
2. Dezember 1775 – Treffen bei Prinz Constantin?
Nach einem Brief von Graf zu Stolberg an seine Schwester Gräfin Bernstorff waren Charlotte v. Stein und Goethe am 2.12.1775 beim Prinzen Constantin zu Gast.
Siehe Punkt 2.7.
Den Originalbrief als Beweis konnte ich bisher nicht finden.
6. Dezember 1775 – Besuch in Großkochberg.
Ist durch Charlotte v. Stein selbst belegt.
Siehe Punkte 2.8 und 4.

Die Briefe und Berichte lassen eigentlich nur den Schluss zu, dass sich Charlotte v. Stein und Goethe noch im November 1775 persönlich kennen gelernt haben.
Und hinzu kommt ja auch noch:
- Beide hatten schon „vor Weimar“ sehr deutliches Interesse am Anderen geäußert.
- Im November 1775 gab es in Weimar mehrere Bälle u.ä.
- Soll Goethe im kleinen Weimarer Adelsbereich der ihn schon vor seiner
Ankunft interessierenden Frau einen Monat lang nicht begegnet sein?
Obwohl so oft genannt (... und abgeschrieben)
Es konnten bisher leider keine Nachweise gefunden werden
- für ein Treffen der beiden am 11.11.1775
- dass das erstmalige Treffen im Pavillon des Palais Schardt stattfand
- für ein Treffen der beiden am 21.6.1777 im Pavillon des Palais Schardt.
2 Briefe und Berichte
2.1 Zum 7. November 1775 - Charlotte v. Stein ist in Kochberg?
Heinrich Düntzer schreibt zu diesem Tag:

„[…] Als dieser [Goethe] am frühen Morgen des 7. November […] zu Weimar ankam, befand sich die ersehnte Freundin […] wahrscheinlich in Kochberg, wenn sie nicht etwa eines Unwohlseins wegen sich zu Hause zurückhielt; denn wir finden sie nach dem 2. November erst wieder
am Abend des 12. nach der Cour an der fürstlichen Hoftafel […].“
(Düntzer, Heinrich: Charlotte von Stein, Goethes Freundin – Ein Lebensbild, 1. Band 1742 – 1793, Verlag der J. G. Cotta’schen Buchhandlung Stuttgart, 1874)
Und Wilhelm Bode schreibt:
„Frau v. Stein war gerade noch einmal nach Kochberg zurückgekehrt […]. Doch kam sie bald wieder nach Weimar zurück […].“,
… mit hoher Sicherheit von Düntzer übernommen.
(Bode, Wilhelm: Charlotte von Stein, 6. Auflage, Verlag Mittler & Sohn Berlin, 1927, S. 85. 1. Auflage war 1909)
Hier ist eindeutig nachweisbar, dass es sich an der Hoftafel um die gleichnamige Schwägerin (1734 – 1784) handelt, die von 1771 bis 1784 als Hofdame bei Anna Amalia diente.
Die Oberstallmeisterin Charlotte v. Stein (1742 – 1827) selbst war zu dieser Zeit nur selten bei der Hoftafel anwesend.
Leider keine Ausnahme ist bei Wilhelm Bode, dass er bei Zitaten gerne wichtige Details weglässt, hier aus „war wahrscheinlich in Kochberg“ für die Nachwelt „war in Kochberg“ macht.
Siehe auch Punkte
2.2
Zu November 1775 – Erinnerungen von Carl von Stein – Quelle 3,
5
Hofmarschallamt Weimar, Fourierbuch 7.11. – 8.12.1775.
Seite
Charlotte von Stein – Themenbereiche, Die „Doppelgängerin“-Hofdame
2.2 Zu November 1775 - Erinnerungen von Carl von Stein
Nach 1832 aufgeschriebene Erinnerungen.
Wobei da ein ca. 67-jähriger auf das Erlebnis eines jungen Kindes von 10 Jahren zurückblickt.
Quelle 1:


Von Felix Freiherr von Stein beglaubigter Abdruck des handgeschriebenen Originals.
(Carl von Stein, Nachbemerkungen von Felix Frh. von Stein, Hrsg. Hans Wahl: Goethe: Aufzeichnungen des Freiherrn Carl von Stein-Kochberg, Insel-Verlag Leipzig, 1924)
Quelle 2:

(Goethes Gespräche, Biedermannsche Ausgabe – Band 1 (1749 – 1805), Deutscher Taschenbuch Verlag München, 1998, S. 177)
Quelle 3:

(Wilhelm Bode: Charlotte von Stein, 6. Auflage, Verlag Mittler & Sohn Berlin, 1927, Seite 85)
2.3 Zu November 1775 - Bericht von Carl v. Lyncker
Von Carl von Lyncker 1838 aufgeschriebene Erinnerung. Also wie bei Carl von Stein erst viele Jahre später aufgeschrieben.
Die Aufzeichungen von Carl von Lyncker werden heute als weitestgehend nachweisbar beurteilt.

(Goethes Gespräche, Biedermannsche Ausgabe – Band 1 (1749 – 1805), Deutscher Taschenbuch Verlag München, 1998, S. 178)
und
(Carl Wilhelm Heinrich Freiherr von Lyncker, Jürgen Lauchner (Hrsg.): Ich diente am Weimarer Hof – Aufzeichnungen aus der Goethezeit, Böhlau Verlag Köln Weimar Wien, 1997, S. 41)
2.4 November 1775 - Brief Charlotte v. Stein an Johann Georg Zimmermann

(Winter, Ingelore M. (1924 – 2014): Goethes Charlotte von Stein: Die Geschichte einer Liebe, Droste Verlag Düsseldorf, 2003, S. 19)
Es geht um den November 1775, Goethe ist am 7.11.1775 in Weimar angekommen.
Leider gibt es in dem Buch keine Quellenangaben und die Autorin ist inzwischen verstorben.
Auch scheint Frau Winter mit zeitlichen Ereigniszuordnungen relativ „großzügig“ umgegangen zu sein.
Laut Wikipedia ist der Nachlass von Johann Georg Zimmermann in der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek Hannover und im Stadtarchiv Hannover aufgeteilt.
Den Original-Brief konnte ich bisher nicht finden.
Laut Anfragen ist der Brief nicht vorhanden:
– im Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar
– in der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek Hannover
– im Stadtarchiv Hannover
– beim Freien Deutsche Hochstift / Frankfurter Goethe-Museum
– bei der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in Berlin
– in der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB)
– in der Universitätsbibliothek Leipzig, Bereich Sondersammlungen
– im Goethe-Museum Düsseldorf / Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung.

Ob sich der Original-Brief noch anfinden wird? Wer kann helfen?
2.5 November 1775 - War das 2. Treffen beim Bruder Carl von Schardt?

(Viebahn, Georg E.: Goethe und die Frauen, 2. verbesserte Auflage, Haag + Herchen Verlag Frankfurt a. M., 1998, Seite 122)
Leider gibt es in dem Buch keine Quellenangaben und der Autor ist nach Auskunft des Verlages (März 2025) schon vor langen Jahren verstorben.
2.6 Zwischen 27.11. und 3.12.1775 - Brief Goethe an Carl v. Knebel

(Beutler, Ernst (Hrsg.): Johann Wolfgang Goethe 18 – Briefe der Jahre 1764 – 1786 (Gedenkausgabe), Artemis Verlag Zürich, 1949/1951, S. 295)
Der im Buch von Ernst Beutler (Hrsg.) zitierte Brief von Goethe an Knebel wurde lange Zeit auf die Zeit zwischen dem 27.11. und 3.12.1775 datiert, stammt erst von Anfang Dezember 1807.
(Vollständiger Abdruck des Briefes in: J. W. Goethe – Briefe. Historisch-kritische Ausgabe, Band 3 IIA, im Auftrag des Goethe- und Schiller-Archivs Weimar, 2014, S. 21 (einleitende Erläuterung zu Nr. 5))
(Richter, Elke; Rosenheim Alexander (Hrsg.): Charlotte von Stein – Schriftstellerin, Freundin und Mentorin,
Verlag Walter de Gruyter Berlin/Boston, 2018, S. 23 und 442)
2.7 Zu 2. Dezember 1775 - Brief F. L. Stolberg an seine Schwester Henriette
Graf Friedrich Leopold zu Stolberg an seine Schwester Henriette Gräfin Bernstorff.
Brief vom 6.12.1775 zu Ereignis am 2.12.1775.
Anmerkung: Im Fourierbuch vom 2.12.1775 ist bei abends nur die Durchl. Herzogin aufgelistet.

Den Originalbrief konnte ich bisher nicht finden. Wer kann helfen?
Es irritiert, dass in den nachfolgend aufgeführten Quellen Inhalt und Zeitangaben eines ja wohl existierenden Briefes unterschiedlich wiedergegeben werden.
Sybille Bertholdt könnte auch von Wilhelm Bode abgeschrieben haben, aber der Brieftext von Ernst und Renate Grumach ist merklich abweichend.
Beim Datum des Ereignisses gibt Wilhelm Bode 26.11. – 3.12.1775 an, Ernst und Renate Grumach schreiben 2.12.1775, bei Sybille Bertholdt lese ich Herbst 1776 (nur Druckfehler?).
Quelle 1:
Wilhelm Bode in „Charlotte von Stein“ zum Jahr 1775:
„Lebhaft ging es besonders vom 26. November bis zum 3. Dezember her, denn an diesen Tagen waren die beiden jungen Grafen Stolberg in Weimar zu Besuch […]; in den Briefen, die sie an eine ihrer Schwestern, die Gräfin Bernstorff, schrieben, […]“.
(Wilhelm Bode: Charlotte von Stein, 6. Auflage, Verlag Mittler & Sohn Berlin, 1927, S. 85)
und er schreibt weiter:

(Bode, Wilhelm: Charlotte von Stein, 6. Auflage, Verlag Mittler & Sohn Berlin, 1927, S. 87)
(Bode, Wilhelm: Der weimarische Musenhof 1756 – 1781, E. S. Mittler & Sohn Königliche Hofbuchhandlung Berlin, 1919, S. 174)
Quelle 2:

(Grumach, Ernst + Renate (beide Hrsg.): Goethe – Begegnungen und Gespräche – Band 1, 1749 – 1776, Verlag Walter de Gruyter Berlin, 1965, S. 390.
Mit Verweis auf ‚Janssen 1, 63‘ = [S. 492] J. Janssen, Friedrich Leopold Graf zu Stolberg. Freiburg i. Br. 1877)
Quelle 3:

(Bertholdt, Sybille: Mir geht’s mit Goethen wunderbar, Langen Müller in F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung München, 1999, S. 36)

Zu Quelle 2: Welche Frau von Stein ist da gemeint?
Ein gar nicht seltenes Beispiel für im Detail unterschiedliche Zitate des gleichen Dokuments, dessen Original bisher nicht auffindbar ist.
Die Wahrscheinlichkeit spricht aber auch hier für die Oberstallmeisterin Frau von Stein, denn im Fourierbuch von 1775 steht bei der Hofdame eigentlich immer „Fräul. von Stein“, bei den ledigen Hofdamen eigentlich generell.
2.8. Zu 6. Dezember 1775 - Brief Charlotte von Stein an Charlotte von Schiller
Ein Brief vom 22.9.1804, in dem Charlotte v. Stein über den Schreibtisch mit der Handschrift „Goethe d. 6. Dez. 75.“ schreibt.

„Kochb. 22. Sept. 1804
[…] Ich sitze vor den Schreibtisch [in Kochberg], wo sich manche gute Freunde auf die Platte schrieben, unter andern Goethe anno 75 und anno 80 noch einmahl mit den Zusatz ebenderselbe, […]“
(GSA Signatur 83/1856,4, Digitalisat 55)
2.9 Zu Ende 1775 - Brief Goethe an Charlotte v. Stein
Brief vom 22./23.9.1785 von Goethe in Weimar an Charlotte v. Stein in Kochberg.

(Steiger, Robert: Goethes Leben von Tag zu Tag – Band 1, 1749 – 1775, Artemis Verlag Zürich und München, 1982)
Schauen wir uns am besten den Originalbrief an, und zwar den vollständigen Text.
Ich zitiere wörtlich:
„d. 22. Sept. 85 Abends
Es regnet so sehr und ich denke mir meine Liebe
in dem alten Schlosse wo ich sie vor zehen Jahren
zum erstenmal besuchte und wo sie mich durch ihre
Liebe so fest hielt“.
(GSA Signatur: GSA 29/491,I; Bl. 49; Digitalisate 51 und 51_S1.
Beide Digitalisate sind vom gleichen Brief, einsehbar bei
https://ores.klassik-stiftung.de/ords/f?p=401:2:::::P2_ID:8662 (Link Stand 25.6.2024).
Dort nach unten suchen Bl 49, Digitalisate Nr. 51 51_S1)

Das bezieht sich eindeutig auf den ersten Besuch in Großkochberg – 10 Jahre zuvor im Jahre 1775.
3 Zum 11. November 1775
Obwohl so oft genannt (… und abgeschrieben): Es konnte bisher kein Nachweis für ein Treffen am 11.11.1775 gefunden werden.
Das GSA schrieb mir im Januar 2024 auf Anfrage hin:
„Mit Blick auf das gesuchte Datum hilft die Ausgabe von Goethes „Begegnungen und Gesprächen“ weiter, die ebenfalls schon auf der Propyläen-Seite zu finden ist:
https://goethe-biographica.de/id/BuG01_A_0485 (Link Stand 25.6.2024).
Demnach erinnerte sich Carl von Stein an eine entsprechende Begegnung, die auf den 11. November 1775 datiert wird, als Rückerinnerung ist das aber so vage, dass ich es nicht als Quelle bezeichnen würde.“
Zur genannten Propyläen-Seite:

(GSA BuG I, BuG01_A_0485, (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG01_A_0485 (Link Stand 22.4.2024))
Da steht schon mal doppelt und unterschiedlich(!)
„Weimar 11.11.1775“,
„Weimar 11.(?)11.1775“
und auch der Name ist nicht eindeutig geschrieben: „K. v. Stein“.
Der gute Mann heißt „Gottlob Carl [oder auch Karl] Wilhelm Friedrich Freiherr von Stein“ (8.3.1765 – 4.5.1837).
Das Problem ist hier die nicht eindeutige Zuordnung des Namens zu der Person, denn „K. v. Stein“ gab es mehrere über die Zeit.
Auch sollte unbedingt ein Hinweis „nach 1832 aufgeschriebene Erinnerungen“ hinzugefügt werden (siehe oben Erinnerungen von Carl von Stein).
… Und alle schreiben von dort ab – ist ja vom GSA, manchmal mit hinzugefügtem Fragezeichen, oft aber auch als Fakt.

Ich stelle mir zum Inhalt der Propyläen-Seite die Fragen:
- Warum hat Wer(?) auf dieser Internetseite des GSA den 11.11. hingeschrieben, wenn Carl v. Stein ja eindeutig nur „als eines Nachmittags“ schreibt?
Oder gibt es doch noch eine andere Quelle als Beleg, dass Goethe und/oder der Herzog am 11.11.1775 bei den v. Steins waren? - Warum enthält überhaupt eine Seite des GSA(!) gleich 3 Fehler bzw. Ungereimtheiten? War es Unwissenheit des Web-Designers, war es Unachtsamkeit?
4 Der 6. Dezember 1775 - Goethes Besuch in Großkochberg
Der Schreibtisch mit der Handschrift „Goethe d. 6. Dez. 75.“
In der Literatur wird oft bezweifelt, ob das „Goethe d. 6. Dez. 75.“ überhaupt von Goethe geschrieben worden ist, oder auch, ob der Schreibtisch 1775 überhaupt schon in Kochberg stand.
Aber da gibt es unwiderlegbar den Brief von Charlotte v. Stein an Charlotte v. Schiller vom 22.9.1804.
Siehe Punkt 2.8.
Zum Schreibtisch selbst:
Es gibt die Rechnung vom Tischlermeister Lencker aus Rudolstadt an die Mutter von Josias v. Stein aus dem Jahr 1757 über die Anfertigung und Lieferung des Schreibtischs nach Großkochberg.

(Förster, Jürgen: Schloss Kochberg, 5. Auflage, Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar, 1990)
… und ergänzend:
Heinrich Düntzer kennt diese Inschrift schon im Jahr 1874.
(Düntzer, Heinrich: Charlotte von Stein, Goethes Freundin – Ein Lebensbild, 1. Band 1742 – 1793, Verlag der J.G Cotta’schen, Stuttgart 1874, Seite 31)
Alphons Nobel weiß in seinem Buch zu berichten (ohne nähere Quellenangabe):
„Goethe war einen Monat in Weimar, als Frau von Stein wiederum Kochberg aufsuchte. An dem gleichen Tage begab sich der Herzog mit seinem kleinen Gefolge nach Rudolstadt; Goethe war dabei und Charlottens Gatte, Baron von Stein. Goethe richtete es so ein, daß er Zeit zu einem Besuch in Kochberg hatte.
Noch heute ist ein Andenken von diesem ersten Besuch Goethes auf dem Landsitz Charlottens in Kochberg sichtbar: Auf dem Schreibtisch Charlottens steht sein von ihm hingekritzelter Name: ‚Goethe, den 6. Dcbr. 75.‘ “
(Nobel, Alphons: Frau von Stein – Goethes Freundin und Feindin, Societäts-Verlag Frankfurt a.M., 1939, S. 32 + 33)
Passend findet sich im Weimarer Fourierbuch von 1775
Montag den 4. Dezember 1775:

[…]
Heute vormittags nach 9 Uhren gingen unser Durchl.
Herzog zu einen hohen Besuch bey den Durchl. Fürsten
nacher Rudolstadt, nahmen nachstehende Personen mit sich
als
H. Oberstallmstr. v. Stein., H. Cammerj. v. Tredel[?],
H. Cammerdiener Tragner, Jagd Laq.[?] Stehl, Laufer Beilschmidt
(https://staatsarchive.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/ThHStAW_derivate_00000133/HMA_4524_0160_a.tif, Link Stand 4.10.2024)
Donnerstag den 7. Dezember 1775:

[…]
Donnerstag den 7te Dec: gegen Abend Trafen unßer
Durchl. Herzog unter höchsten Wohl mit dero Suite
von Rudolstadt wiederum hier ein, und speiseten Abends
mit bey dero Fr. Mutter.
(https://staatsarchive.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/ThHStAW_derivate_00000133/HMA_4524_0161_a.tif, Link Stand 4.10.2024)
Goethe wird in diesen Tagen (4. – 7.12.1775) nicht im Fourierbuch erwähnt, weder als Gast bei der Tafel in Weimar und auch nicht als Reisebegleiter. Wusste der Fourierbuch-Schreiber nur nichts von Goethes Reisebegleitung oder reiste Goethe getrennt?
Einer der Zweifler als Beispiel:
Jan Ballweg hinterfragt in seinem Buch die Echtheit von Goethes Schrift:
„Bei aller Ehrfurcht wundert sich mancher Besucher vielleicht darüber, dass Goethe schon bei seinem ersten Besuch in Kochberg, an jenem denkwürdigen 6. Dezember 1775, wissen konnte, welche Bedeutung diese unterkühlte Frau des neuen Weimarer Oberstallmeisters für ihn und das Nachleben seines Ruhmes haben würde.“
… und er schreibt weiter:
„Dass die nach Mitteilung der lokalen Führungskraft originale Goethetinte auf dem Holz des Schreibtisches nach über zwei Jahrhunderten kein Zeichen der Ausbleichung zeigt und auch allen reliquiensammelnden Goetheverehrern widerstanden hat, ist darüber hinaus ein kleines technisches Wunder, vergleichbar nur mit dem Blut am Hemd des armen Kaspar Hauser oder den Turiner Grabtuch.“
(Nobel, Alphons: Frau von Stein – Goethes Freundin und Feindin, Societäts-Verlag Frankfurt a.M., 1939, S. 32 + 33)
5 Hofmarschallamt Weimar, Fourierbuch 7.11. - 8.12.1775

Landesarchiv Thüringen – Hauptstaatsarchiv Weimar (LATh-HStA)
Hofmarschallamt No. 4524,
Fourierbuch zur Hofhaltung des
Herzogs Carl August, 1. Januar – 31. Dezember 1775
https://staatsarchive.thulb.uni-jena.de/receive/ThHStAW_file_00000024
(Link Stand 22.4.2024)
(Abb: Fourierbuch Hofmarschallamt Weimar für 10.11.1775; Landesarchiv Thüringen – Hauptstaatsarchiv Weimar;
Hofmarschallamt No. 4524, Blatt 132)
Die „Marschalls Tafel“
„An den Höfen diejenige Tafel, woran solche Personen gespeiset werden, die nicht von einem solchen Range sind, daß sie an die Königl. oder fürstliche Tafel gezogen werden könnten“.
Die Marschalls Tafel findet sich im Weimarer Fourierbuch fast immer nur in der Mittags-Spalte.
Tage im Fourierbuch 7.11. – 8.12.1775 mit den Namen von Goethe und einer Frau von Stein am gleichen Tag,
… also ggf. Möglichkeiten zum Kennenlernen – oder auch nicht:
Hinweise:
Die Texte sind in der Form genau von den Fourierbüchern übernommen.
Zum besseren Verständnis:
– linke Spalte Mittags – mit der Fürstlichen Tafel und in der Regel der Marschalls Tafel
– rechte Spalte Abends – mit der Fürstlichen Tafel und ggf. der Marschalls Tafel
– „ [= H.] u.ä.: das [= H.] u.ä. verweist auf den Text in der darüberliegenden Zeile, der mit dem ‚„‘ wiederholt.
Dienstag den 7. November 1775
Goethe kommt in Weimar an.
Freitag den 10. November 1775

Fürstl. Tafel Mittags
…
Marschalls Tafel
7. „ [= H.] Professor Göte
Abends
Fürstl. Tafel
4. Fr. R. Hofr. von Stein [die Reichshofräthin und Geheime Räthin Elisabeth Dorothea Freifrau von Stein (um 1710 – 1778), Mutter von Josias von Stein]
7. Fräul. v. Stein [die Hofdame]
Sonntag den 12. November 1775

Fürstl. Tafel Mittags
…
Marschalls Tafel
6. „ [= H.] Docter Gote
Abends Fürstl. Tafel
11. „—— [= Hofdame] v. Stein
Mittwoch den 15. November 1775

Fürstl. Tafel Mittags
11. „—— [= Fräul.] v. Stein [die Hofdame]
Marschalls Tafel
8. „ [= H.] Docter Göte
Abends
Fürstl. Tafel
11. „—— [= Hofdame] v. Stein
Sonntag den 26. November 1775

Fürstl. Tafel Mittags
…
Marschalls Tafel
13. „ [= H.] Doct. Gote
Abends
Fürstl. Tafel
8. + 9. H. u. Fr. OberSt. v. Stein
Mittwoch den 6. Dezember 1775
Goethe ist bei Charlotte v. Stein auf Schloss Kochberg.
… Wobei ich nun lesen musste, dass Goethe wohl gar nicht promoviert hat, also keinen Doktortitel hatte, erst 1825 zum Ehrendoktor (Dr. h.c.) ernannt wurde.
(Gaßdorf, Dagmar und Heizmann, Bertold: Goethe – Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten, Klartext Verlag Essen, 2024, S. 16)
6 War das 1. Treffen im Pavillon des Palais Schardt?

Grund-Riss und Cavalier-Perspectiv der Fürstl. Sæchsischen Residenz-Stadt Weimar 1785 (Klassik Stiftung Weimar, HAAB Signatur Kt 100 Weimar 34 E Ms)
Öfters wird da in Publikationen auf einen Eintrag in Goethes Tagebuch verwiesen.
Der Eintrag im Tagebuch ist aber erst viel später vom 21.6.1777 (Goethe traf Charlotte v. Stein spätestens am 6.12.1775).
Goethes Tagebuch am 21. Juni 1777:

(Baumann, Gerhart (Hrsg.): Johann Wolfgang Goethe – Tagebücher, Band 1, 1770 – 1810, Phaidon Verlag Essen, 1982, S. 71)
… und hier mal das Original

(GSA Signatur 27/3 (Nummer 381), Goethe Tagebuch 1. – 21. Juni 1777)
Siehe auch https://goethe-biographica.de/id/GT01_0381, Reiter „Digitalisate“ (Link Stand 22.4.2024)
… und ein etwas gezoomter Textausschnitt daraus

(Quelle wie oben)
„Zu [*Frau v. Stein] wo [*Herzog Carl August] aufm Turn as“.
Eine kleine Anmerkung von mir: Frau von Stein hatte Goethe nicht nur tadellose Manieren und Umgangsformen voraus, sondern, unter anderem, auch noch eine saubere Handschrift.
Und was steht am Sonnabend den 21.6.1777 im herzoglichen Fourierbuch?:
Sonnabend den 21.6.1777

Mittags
Fürstl. Tafel
[Der Herzog ist nicht aufgelistet]
4. H. Geh Rath v. Schardt
Marschalls Tafel
Hat nicht stattgefunden
Abends
Fürstl. Tafel
Hat nicht stattgefunden
Marschalls Tafel
3. H. Geh Rath v. Schardt
[Goethe ist nicht aufgelistet]
(Abb: Fourierbuch Hofmarschallamt Weimar für 21.6.1777; Landesarchiv Thüringen – Hauptstaatsarchiv Weimar;
Hofmarschallamt No. 4524, Blatt 72)

Meine Gedanken zum „Turn“:
- Mit dem „Turn“ könnte durchaus der Pavillon des Vaters von Charlotte v. Stein gemeint sein, gleich in der Nachbarschaft der v. Steins Wohnung.
Mir geht da aber auch der „Kasseturm“ nicht aus dem Kopf, ebenfalls gleich neben der v. Steins Wohnung; im recht neu erbauten und von der Landschaftskasse vielleicht noch nicht genutzten Obergeschoss? - Scheinbar haben da bei Charlotte v. Stein „aufm Turn“ auch nur Charlotte v. Stein und der Herzog gegessen, ohne Goethe?
- Sollte der „Turn“ der Pavillon des Palais Schardt sein, dann hätte das Essen ohne den Hausherrn stattgefunden.
Letztendlich ist das aber alles, weil ca. 1 1/2 Jahre später, für das 1. Treffen von Charlotte v. Stein und Goethe ohne jegliche Bedeutung.
Und zu bedenken ist auch, dass die „Hofschranze“ v. Schardt sowohl bei Goethe als auch beim Herzog unbeliebt war.
Siehe z.B. – wir schreiben das Jahr 1785:

(Goethes Gespräche, Biedermannsche Ausgabe – Band 1 (1749 – 1805), Deutscher Taschenbuch Verlag München, 1998, S. 361)